Entdecke die transformative Kraft der Phänomenologie als Methode in der Gestalttherapie.
30-Sekundenzusammenfassung
Phänomenologie ist eine erkenntnistheoretische, philosophische Methode zur Untersuchung von Erscheinungen der menschlichen Wahrnehmung.
Das "Phänomen" in der Phänomenologie ist das, was in unserer Erfahrung erscheint.
In der Gestalttherapie steht das Phänomen, das heißt das individuelle Erleben und die Wahrnehmung des Klienten im Mittelpunkt.
Erfahre im Beitrag 4 Schritte der phänomenologischen Methode in Gestalttherapie.
Anzeichen für "phänomenologisches Sprechen" sind konkrete Beschreibungen, die Betonung der subjektiven Wahrnehmung, der Fokus auf den gegenwärtigen Moment, und das Einklammern von Bewertungen.
Die phänomenologische Methode bereichert nicht nur den Kontakt zu den eigenen Erfahrungen, sondern auch den Kontakt zwischen Therapeut:in und Klient:in (und Umwelt und Klient:in).
Sieh dir außerdem das Interview aus meinem Podcast Gestalt Café zum Thema "Phänomenologie und Phänomenologisches Sprechen" an:
Inhaltsverzeichnis
Was ist Phänomenologie? Was ist das Phänomen in der Phänomenologie? Was ist die phänomenologische Methode in der Gestalttherapie? 4 Schritte 1. Beschreiben des Wahrnehmungsphänomens 2. Reduktion: Vorannahmen zur Seite stellen (Epoché) 3. "Wesensschau": Verschiedene Vorannahmen "ausprobieren" 4. Über die Wahrnehmung und die mögliche Bedeutung in Kommunikation treten Anzeichen für phänomenologisches Sprechen Vorteile der phänomenologischen Methode in der therapeutischen Arbeit Bereicherung des Zwischenmenschlichen Kontakts Förderung der forschenden Haltung Auflösung der Projektionen Konflikte zu überwinden Fazit
Was ist Phänomenologie?
Phänomenologie ist eine erkenntnistheoretische, philosophische Strömung. Sie untersucht menschliche Wahrnehmungsphänomene und deren Bedeutung für das Individuum.
Sie wurde im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert von Edmund Husserl entwickelt und hat seitdem in verschiedenen Bereichen, einschließlich der Psychotherapie, große Bedeutung erlangt.
Die Gestalttherapie wurde durch die Phänomenologie in ihrer Methode maßgeblich beeinflusst.
Was ist das Phänomen in der Phänomenologie?
Das Phänomen in der Phänomenologie bezieht sich auf das, was in unserer Erfahrung erscheint, die unmittelbare Wahrnehmung oder das Erlebnis, das wir haben.
Es bezieht sich auf die Art und Weise, wie wir die Welt erleben und wie diese Erfahrungen unsere Wahrnehmung und unser Verständnis prägen.
Die Natur des menschlichen Bewusstseins wird als "intentional" beschrieben: Das Bewusstsein bezieht sich immer auf ein Objekt - das können Gegenstände, Menschen, Gefühle oder Gedanken sein.
Das Wahrnehmungsphänomen beschreibt eben diese Greifbewegung des eigenen Geistes: "Wie nehme ich etwas wahr?"
In der therapeutischen Arbeit geht es darum, den Fokus auf den individuellen Wahrnehmens-Erleben-Prozess der Klient:innen zu richten und dieses zu erforschen.
Phänomenologie als Methode in der Gestalttherapie
Die phänomenologische Methode in der Gestalttherapie basiert auf dem Prinzip, dass das individuelle Erleben und die Wahrnehmung eines Menschen im Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit stehen.
Der Therapeut ermutigt den Klienten dazu, seine Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment zu richten und bewusst zu werden, was in ihm vorgeht.
Durch einen offenen Dialog und die Beschreibung der eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen kann der Klient ein tieferes Verständnis für seine eigenen Erfahrungen entwickeln.
Sie bietet einen strukturierten Ansatz, um das Bewusstsein für die eigenen Erfahrungen zu vertiefen und neue Einsichten zu gewinnen.
Die phänomenologische Methode kann in vier Schritten beschrieben werden:
1. Beschreiben des Wahrnehmungsphänomens
Der erste Schritt besteht darin, das Wahrnehmungsphänomen zu beschreiben.
Der Klient wird ermutigt,
seine Empfindungen,
Gedanken,
Körperempfindungen
und Emotionen
im gegenwärtigen Moment zu erkunden und diese konkret zu benennen.
Das Wahrnehmbare, Offenkundige hat Vorrang gegenüber den Bewertungen oder Interpretationen. Dabei wird auf eine möglichst genaue Beschreibung geachtet. Dieser Schritt ermöglicht es dem Klienten, sich bewusster über seine Erfahrungen zu werden.
Wenn du mehr über eine präzise Sprache zum Beschreiben des eigenen Erlebens erfahren willst, dann höre dir gerne meine Podcastfolge mit meiner Ausbilderin Ursula Schilling zum Thema "Die Macht der Sprache" an:
2. Reduktion: Vorannahmen zur Seite stellen (Epoché)
Im zweiten Schritt wird eine Reduktion vorgenommen, indem vorläufige Annahmen, Vorurteile oder Interpretationen zur Seite gestellt werden.
Dieser Prozess wird als Epoché bezeichnet und eröffnet den Raum für einen unvoreingenommenen Blick auf das Wahrnehmungsphänomen.
Sowohl der Therapeut als auch der Klient setzen ihre eigenen Annahmen und Vorstellungen vorläufig aus und betrachten die Erfahrung in ihrer unmittelbaren Präsenz.
Kurz gesagt: Der Klient unterscheidet zwischen Konzepten und Ideen und dem eigenen Erleben im "Hier und Jetzt".
3. "Wesensschau": Verschiedene Vorannahmen "ausprobieren"
Im dritten Schritt geht es darum, verschiedene Vorannahmen oder Perspektiven zu "testen" und zu erforschen. Der Klient wird ermutigt, verschiedene Möglichkeiten und Sichtweisen zu betrachten und zu "probieren", um ein umfassenderes Verständnis der eigenen Erfahrung zu entwickeln.
Dieser Prozess wird in der Phänomenologie "Wesensschau" bezeichnet und ermöglicht es dem Klienten, neue Einsichten zu gewinnen und seine Erfahrungen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Dem gestalttherapeutischen "Experiment" kommt an dieser Stelle eine große Bedeutung zu: In einem sicheren Rahmen wird der Klient eingeladen, ein Thema in
Rollenspielen,
Gedankenexperimenten,
Embodiment-Ansätzen
oder anderen kreativen, spielerischen Formen aus einer neuen Perspektive zu entdecken.
4. Über die Wahrnehmung und die mögliche Bedeutung in Kommunikation treten
Im vierten Schritt tritt der Klient in einen Dialog mit dem Therapeuten über seine Wahrnehmung und die mögliche Bedeutung dahinter.
Durch den Austausch und die Exploration der Erfahrung können neue Einsichten und Verständnisse entstehen.
Der Therapeut unterstützt den Klienten dabei, seine Wahrnehmungsfähigkeit auszudehnen und zu vertiefen, indem er gezielte Fragen stellt, um den Forschungsprozess zu vertiefen.
Dieser Dialog fördert das Verständnis des Klienten für seine eigenen Erfahrungen und ermöglicht eine erweiterte Perspektive auf sich selbst und seine Beziehung zur Umwelt.
Anzeichen für phänomenologisches Sprechen
In der therapeutischen Arbeit gibt es bestimmte Anzeichen dafür, dass phänomenologisches Sprechen stattfindet.
Dazu gehören:
Die Beschreibung konkreter Erfahrungen,
die Betonung der subjektiven Wahrnehmung,
das Fehlen von Interpretationen oder Bewertungen
sowie die Fokussierung auf den gegenwärtigen Moment.
Wenn der Klient in der Lage ist, seine Erfahrungen auf diese Weise auszudrücken, ermöglicht dies eine tiefere Exploration und Integration entdeckter Anteile.
Vorteile der phänomenologischen Methode in der therapeutischen Arbeit
Die Anwendung der phänomenologischen Methode in der therapeutischen Arbeit bietet eine Vielzahl von Vorteilen, die den Prozess der persönlichen Weiterentwicklung und Heilung unterstützen können:
Bereicherung des Zwischenmenschlichen Kontakts
Die phänomenologische Methode fördert einen authentischen und tieferen zwischenmenschlichen Kontakt zwischen Therapeut und Klient. Durch das Teilen und Erkunden konkreter Erfahrungen entsteht eine Verbindung auf einer tieferen Ebene. Der Therapeut wird zum wertschätzenden Zuhörer und Begleiter des Klienten, was zu einem unterstützenden therapeutischen Beziehungsgefüge führt.
Förderung der forschenden Haltung
Die phänomenologische Methode ermutigt den Klienten dazu, eine neugierige und offene Haltung gegenüber seinen eigenen Erfahrungen einzunehmen. Indem er den gegenwärtigen Moment erforscht und sich bewusst wird, wie sich seine Empfindungen und Wahrnehmungen verändern, wird der Klient zu einem aktiven Teilnehmer seines eigenen Wachstumsprozesses. Es entsteht ein kreativer Handlungsspielraum, der zu neuen Einsichten und Veränderungen führen kann.
Auflösung der Projektionen
Durch das phänomenologische Sprechen kann der Klient seine eigenen Projektionen erkennen und auflösen.
Projektionen sind Mechanismen, bei denen wir unbewusst eigene Emotionen, Gedanken oder Eigenschaften auf andere Menschen oder Situationen übertragen.
Durch das bewusste Erleben und Beschreiben der eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen kann der Klient erkennen, welche Projektionen er auf andere Menschen oder die Umwelt legt. Dies ermöglicht eine Klärung und Verschiebung der eigenen Perspektive.
Konflikte zu überwinden
Die phänomenologische Methode unterstützt den Klienten dabei, innere Konflikte zu erkennen und zu bearbeiten.
Indem der Fokus auf die individuellen Erfahrungen gerichtet wird, können verborgene Konflikte, Widersprüche und Ambivalenzen ans Licht gebracht werden.
Der Klient kann lernen, die verschiedenen Aspekte seiner Erfahrung zu integrieren und neue Lösungen zu finden, um Konflikte zu überwinden.
Außerdem können durch phänomenologisches Sprechen auch Konflikte und Streitsituationen mit Anderen bewältigt werden: Wichtig ist ein selbstverantwortlicher, achtsamer Umgang mit Sprache.
Das phänomenologische Sprechen ermutigt zum Sprechen
in "Ich-Botschaften",
über das eigene Erleben
ohne Bewertung
Fazit: Die phänomenologische Methode fördert eine Bereitschaft zur Veränderung.
Beide Konfliktpartner:innen sind interessiert an einer "echten Begegnung": Sie lassen sich ein auf einen wechselseitigen Veränderungsprozess.
Fazit
Die phänomenologische Methode bietet eine wertvolle Herangehensweise in der therapeutischen Arbeit.
Durch das bewusste Erleben und Beschreiben der eigenen Erfahrungen ermöglicht sie
tiefgreifende Einsichten,
Integration unbewusster Anteile,
neue Perspektiven,
einen authentischen zwischenmenschlichen Kontakt,
die Auflösung von Projektionen und anderen Kontaktunterbrechungen
und die Überwindung von Konflikten.
Die phänomenologische Methode bereichert die therapeutische Beziehung und fördert das individuelle Wachstum des Klienten.
Insgesamt trägt sie dazu bei, dass die therapeutische Arbeit auf einer tieferen und bedeutsameren Ebene stattfindet.
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