In diesem Interview erzählt Psychotherapeut Sebastian Nitzschke von seiner spirituellen Suche, die ihn bis nach Indien geführt hat und erklärt, wie er spirituelle Dimensionen in seine therapeutische Arbeit integriert.

30-Sekunden Zusammenfassung
Sebastian Nitzschke, ein tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapeut aus Freiburg, spricht über die Schnittstelle von Spiritualität und Psychotherapie.
Seine spirituelle Suche führte ihn von einer liberal christlichen Erziehung über intensive Erfahrungen in Taizé bis zur tibetisch-buddhistischen Lehre.
Sebastian integriert spirituelle Dimensionen in seine therapeutische Praxis, einschließlich Meditation und Arbeit mit dem inneren Kind.
In der Gestalttherapie betont er die Bedeutung des Gewahrseins im gegenwärtigen Moment zur Förderung von persönlichem Wachstum und Heilung.
Die Synthese von Spiritualität und Psychotherapie eröffnet neue Wege für individuelle und kollektive Heilung und Entwicklung.
Sieh dir außerdem das Interview aus meinem Podcast Gestalt Café zum Thema "Spirituelle Psychotherapie" an:
Inhaltsverzeichnis
Sebastians Erste "spirituelle Erfahrungen"
Sebastian beschreibt seinen spirituellen Werdegang als eine Reise, die von seiner liberal christlichen Erziehung bis hin zu tiefgreifenden Erfahrungen mit verschiedenen spirituellen Traditionen reicht: Eine seiner prägendsten Erfahrungen machte er als Jugendlicher in Taizé, einer ökumenischen Gemeinschaft in Frankreich.
„Das war richtig wie so ein Blitzeinschlag: (...) irgendwas berührt mich auf einer Ebene oder Schicht, die ich so noch nicht kannte“,
erinnert sich Sebastian an seinen ersten Aufenthalt dort.
Diese Erfahrung führte ihn später zum Buddhismus, insbesondere zur tibetisch-buddhistischen Lehre unter Lama Tilmann Lhündrup. Sebastian beschreibt seine Begegnungen mit tibetischen Lehrern und die intensive spirituelle Praxis, die er in diesen Jahren entwickelte, als tief transformativ:
„Ich kam in Kontakt mit einer Dimension von innerer Öffnung und Verbindung, die etwas ganz Tiefes in mir satt machte."
Die Synthese von Spiritualität und Psychotherapie
Die Integration von Spiritualität und Psychotherapie ist kein einfacher Prozess, sondern eine ständige Suche nach Balance und Synthese. In Sebastians Praxis bietet er eine Vielzahl von Ansätzen an, die von klassischer Psychotherapie bis hin zu explizit spirituellen Methoden reichen. Dabei unterscheidet er vier Kategorien:
Spiritualität: Angebote, die primär auf spirituelle Praktiken fokussiert sind.
Spirituelle Psychotherapie: Eine Synthese aus psychotherapeutischen Methoden und spirituellen Praktiken.
Humanistische und Transpersonale Psychotherapie: Ansätze, die das Potenzial des menschlichen Bewusstseins erweitern und tiefere Schichten der Psyche erforschen.
Klassische Psychotherapie als Kassenleistung: Standardisierte psychotherapeutische Behandlungen, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenkassen angeboten werden.

Dabei zieht sich Spiritualität als Dimension durch die verschiedenen Kategorien und nimmt von 1 - 4 ab: Hierbei kann das therapeutische Angebot unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielgruppen gerecht werden.
„Es gibt Menschen, die einfach kommen, weil sie Probleme haben und da weiterkommen wollen,“ beschreibt er die Klientel der klassischen Psychotherapie. Auf der anderen Seite stehen Angebote, die gezielt auf Menschen ausgerichtet sind, die eine tiefere spirituelle Dimension in ihrer Heilung suchen.
Andere sind neugierig, haben aber Berührungsängste und trauen sich noch nicht richtig, ihre spirituellen Interessen auszuleben. Sebastian betont, wie wichtig es ist, einen Raum zu schaffen, in dem diese Menschen ihre Spiritualität erkunden dürfen, ohne sich dafür verrückt zu halten.
Spirituelle Psychotherapie
In der heutigen Kultur ist eine zunehmende Entfremdung von klassischer Religiosität und Spiritualität zu beobachten. Viele Menschen haben den Bezug zu traditionellen religiösen Praktiken verloren. Dennoch gibt es eine tiefe Sehnsucht nach spiritueller Tiefe und Erfahrungen, die in modernen Kontexten oft schwer zu finden sind.
Diese Menschen fühlen sich oft verloren und leiden unter ihrer Suche nach einer tieferen Verbindung, die ihnen bisher verwehrt geblieben ist.
Sie erleben eine Mischung aus
Sehnsucht,
Scham
und Selbstabwertung.
Warum? Weil sie für ihre spirituellen Bedürfnisse oft kein Verständnis erhalten haben. Hier setzt Sebastian an, indem er ihnen einen Raum bietet, in dem ihre spirituelle Sehnsucht als normal anerkannt wird und sie Unterstützung finden, um herauszufinden, was sie brauchen.
In diesem Rahmen werden Meditation und psychotherapeutische Prozessarbeit kombiniert. Die Grundidee ist, eine gemeinsame Sprache für Spiritualität zu finden und tiefgehende Meditationspraktiken mit psychologischer Arbeit zu verknüpfen – beispielsweise die Arbeit mit dem inneren Kind.
Diese Verbindung von Spiritualität und Psychotherapie ermöglicht es, tiefere Ebenen des Selbst zu erkunden und Heilungsprozesse zu unterstützen.
Während traditionelle Psychotherapie oft problemorientiert ist, bietet die Verbindung mit spirituellen Praktiken eine Möglichkeit, einen expansiven Pol zu finden, der Öffnung und Eingebundenheit vermittelt.
Spiritualität in der Humanistischen Psychotherapie und Gestalttherapie
Sebastian sieht eine implizite Theologie in den humanistischen Psychotherapien, die eine tiefere Weisheit und Intelligenz des menschlichen Organismus anerkennt.
„Es gibt sowas wie eine größere Intelligenz, die sich entfaltet, wenn das Feld der Dinge sich im Gewahrsein bewegt,“
erläutert er.
Diese Perspektive eröffnet neue Möglichkeiten für Heilung und persönliches Wachstum.
In der Gestalttherapie bezieht sich die spirituelle Dimension auf die bewusste Wahrnehmung und Erfahrung des gegenwärtigen Moments, was oft als "Gewahrsein" bezeichnet wird.
Dies bedeutet, dass Klienten ermutigt werden, ihre Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen vollständig und ohne Urteil zu erleben. Diese Achtsamkeit ermöglicht eine tiefere Verbindung zum eigenen Selbst und zur Umwelt.
Die spirituelle Dimension in der Gestalttherapie umfasst mehrere Kernaspekte:
Ganzheitlichkeit: Die Gestalttherapie betrachtet den Menschen als ein integriertes Ganzes, in dem Körper, Geist und Seele miteinander verbunden sind. Spirituelle Aspekte können in die Therapie einfließen, indem sie die ganzheitliche Natur des menschlichen Erlebens betonen.
Existenzielle Präsenz: Die Praxis des im Moment Seins hilft Klienten, eine tiefere Verbindung zu ihrem inneren Selbst und zur transzendenten Dimension des Lebens zu entwickeln. Dieses Bewusstsein kann als Brücke zu spirituellen Erfahrungen und Einsichten dienen.
Selbstregulierung und Wachstum: Die Gestalttherapie vertraut auf die natürliche Fähigkeit des Organismus zur Selbstregulierung und Heilung. Indem Klienten ihre innere Weisheit und Intuition entdecken und nutzen, fördern sie ihr persönliches Wachstum und ihre spirituelle Entwicklung.
Polaritäten und Integration: Klienten werden ermutigt, die verschiedenen Aspekte ihres Selbst, einschließlich widersprüchlicher Gefühle und Gedanken, anzuerkennen und zu integrieren. Diese Arbeit kann zu einem tieferen Verständnis und einer Harmonisierung der inneren und äußeren Realitäten führen, was eine spirituelle Transformation begünstigt.
Transzendenz: Durch die Arbeit mit existenziellen Themen und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sein können Klienten Erfahrungen der Transzendenz machen, die über das individuelle Ego hinausgehen und ein Gefühl der Einheit und Verbundenheit mit dem Universum vermitteln.
Die Integration spiritueller Dimensionen in die Gestalttherapie ermöglicht es, nicht nur auf die Probleme zu fokussieren, sondern auch eine tiefe, transformative Erfahrung von Öffnung und Eingebundensein zu erleben.
Dies führt zu einer neuen Leichtigkeit in therapeutischen Prozessen und einem erweiterten Verständnis von Heilung, das sowohl individuelle als auch kollektive Dimensionen berücksichtigt.
Die kollektive Dimensionen in der Gestalttherapie bezieht sich auf die Erweiterung des individuellen therapeutischen Prozesses auf ein Verständnis und eine Integration der sozialen, kulturellen, ökologischen und zwischenmenschlichen Dimensionen des menschlichen Lebens.
Diese Erweiterung ermöglicht es Klienten, nicht nur persönlich zu wachsen, sondern auch einen Beitrag zu einer umfassenderen Heilung und Veränderung in der Gesellschaft zu leisten.
Die Vision von Sri Aurobindo: Integration von Spiritualität und Welt
Eine wichtige Inspirationsquelle für Sebastian Nitzschke ist die Vision von Sri Aurobindo, die besagt, dass es darum geht, das Göttliche in der Welt zu realisieren und eine Transformation bis in die Materie hinein zu erreichen.
Diese Sichtweise betont, dass spirituelle Praxis nicht nur ein Rückzug vom Weltlichen bedeutet, sondern auch die Aufgabe umfasst, die eigene Persönlichkeit und deren Anlagen vollständig zur Entfaltung zu bringen.
Es geht darum, die tiefere Intelligenz des Göttlichen in alle Ebenen des Seins zu integrieren und damit eine neue Ebene der Fülle und Harmonie zu erreichen.
Fazit
Sebastians Arbeit zeigt, dass die Verbindung von Spiritualität und Psychotherapie nicht nur möglich, sondern auch äußerst fruchtbar sein kann. Indem er einen modernen Rahmen schafft, in dem Menschen ihre Spiritualität leben und gleichzeitig therapeutische Unterstützung erhalten können, leistet er einen wertvollen Beitrag zur Weiterentwicklung beider Disziplinen.
Seine Reise und sein Ansatz bieten inspirierende Einblicke und praktische Anregungen für alle, die sich auf den Weg der inneren Erkundung begeben möchten.

Arbeit mit Sebastian Nitzschke in Freiburg im Breisgau
Sebastian bietet verschiedene Möglichkeiten an, mit ihm zu arbeiten: Von tiefenpsychologischer und gestalttherapeutischer Einzel- und Gruppenarbeit über spirituelle Projekte und Meditationsgruppen bis hin zu seinem Projekt der Online Sangha von Sri Aurobindo.
Interessierte können sich über seine Websites sebastianitschke.de, spirituellepsychotherapie.eu und www.sri-Aurobindo.org informieren und Kontakt aufnehmen, um an den verschiedenen Angeboten teilzunehmen.
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